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H. Biedermann
Literaturliste & Kongreßbeiträge (Auswahl)

Artikel-Schlagworte: „Geburtshindernis“

Manualmedizin bei Schwangeren (Bruno Maggi, Zürich)

Manuelle Therapie peripartal.

1. Schmerzen im Beckenring sind in der Schwangerschaft sehr häufig. Sie werden von den Betreuenden und auch von den Schwangeren selber meist als „von der Natur gewollt“ akzeptiert. Die Manuelle Medizin kann hier aber oft gut helfen.

2. In den meisten Fällen liegt eine Blockierung im Beckenring vor. Diese lässt sich einfach diagnostizieren und durch einen ausgebildeten Manualtherapeuten einfach behandeln.

3. Die Rückfallrate ist zwar beträchtlich, doch lässt sich diese durch geeignete Massnahmen und Verhaltensregeln im Alltag der Schwangeren senken.

4. Auch unter der Geburt und im Wochenbett kann eine Beckenringblockierung Probleme machen.

5. Nach der Geburt können zusätzlich auch Verspannungen der sacrospinalen, sacrotuberalen und sacrococcygealen Bänder Beckenbodenschmerzen verursachen.

Ad 1: In der Literatur wird die Häufigkeit der Schmerzen im Beckenring und in der LWS mit etwa 60% angegeben., Beckenschmerzen alleine kommen etwa in 20-25% vor. In meiner Praxis werde ich häufig von Schwangeren mit diesem Problem aufgesucht. Meist kommen sie auf Anraten der Hebamme, über Mund zu Mund Propaganda und nur selten einmal auf Empfehlung der Gynäkologen.

Am häufig beginnen diese Beschwerden ab der 20.-bis 25. Schwangerschaftswoche. Sie können manchmal auch erst wenige Wochen vor dem Geburtstermin auftreten. Selten zeigen sie sich erst unter der Geburt. Die Gründe dafür sind einerseits hormonell: Das Gewebehormon Relaxin lockert die Ligamente. Andererseits sind in unserer Zivilisation überall harte Böden, welche die Stossdämpfung unseres Bewegungsapparates (und hier spielen die Sakroiliacalgelenke eine wichtige Rolle) sehr beanspruchen.

Ad 2: Eine Schwangere mit Schmerzen im LWS und Beckenbereich wird vorerst einmal im Gehen angeschaut. Es besteht häufig ein Schonhinken. Häufig mögen sie sich gar nicht setzen, die Schuhe auszuziehen bereitet ihnen wegen der Rückenschmerzen Mühe.

Ich lasse sie dann vor mich hin stehen und prüfe das Vorlaufsphänomen im Stehen und Sitzen. In der Regel ist dieses positiv. Häufig auf der Seite der Schmerzen, seltener auf der Gegenseite. Dies sind die klinischen Zeichen einer Sakroiliakalgelenksblockierung.
Die Manipulation des Gelenkes kann in Seitenlage oder im Stehen erfolgen. Meist verspürt die Schwangere danach eine Besserung, seltener tritt diese mit einigen Stunden Verzögerung ein.

Ad 3: Ich empfehle den Frauen für den Rest der Schwangerschaft, stossdämpfendes Schuhwerk (Joggingschuhe, falls dies nicht möglich ist, stossdämpfende Einlagen (z.B. Noene)) zu tragen. Sie sollten es vermeiden, bei fixiertem Becken Gewichte haltend sich zu drehen. (Wäschezaine auf den Tumbler wuchten, den Getränkeharass ins Auto heben). Auch das Staubsaugen sollten sie vermeiden. Das Heben und Tragen der Kleinkinder lässt sich nicht vermeiden. Deshalb sind Mehrgebärende für Rezidive anfälliger.

Bei immer wiederkehrenden Blockierungen empfiehlt sich eine einfache Bandage mit einem Baumchwolltuch (15 cm breit etwa 3.5 m lang) nach Dorin Ritzmann. Diese wird zwischen Trochanter maior und Crista iliaca angelegt unter dem Bauch durch auf die Gegenseite und danach über das Sacrum wieder zurück geführt. Wir empfehlen jeweils etwa 3 Touren. Danach werden die Enden verknotet.

Ad 4: Klinische Zeichen einer SIG Blockierung unter der Geburt sind Kreuz- oder Symphysenschmerzen, ein verzögertes Tiefertreten des kindlichen Kopfes bei gut eröffnetem Muttermund. Gelegentlich tritt auch eine sekundäre Wehenschwäche auf.

In einer Wehenpause lässt sich die Blockierung feststellen und gleich behandeln.
Da die ärztlichen Geburtshelfer sich bisher nicht für diese funktionelle Störung der Beckenringsmechanik interessierten, versuchen wir seit Jahren die Hebammen (welche am längsten und am nähesten bei den Gebärenden sind) für die Diagnostik und die Therapie des blockierten Beckenringes zu sensibilisieren.

Ad 5: Neben der postpartalen Blockierung des Beckenringes, können auch die Bänder und die Muskulatur des Beckenbodens Beschwerden verursachen. Insbesondere die postpartale Coccygodynie kann mit manuellen Techniken gut behandelt werden. Mit bildgebenden Verfahren sieht man keine Pathologie des schmerzenden Steissbeins. Bei der rektalen Palpation tastet man dann aber die Verspannungen der sacrospinalen, sacrotuberalen und sacrococcygealen Bänder. Diese lassen sich dann gleich während der Untersuchung durch Dehnung behandeln.

Fazit: Die Manualmedizin rund um die Geburt ist nützlich, effizient und mit wenig Aufwand verbunden.

Sie lässt sich gut lernen und ist leicht anzuwenden.

4.12.2010 Bruno Maggi

Schwerere Neugeborene auch Geburtshindernis

Auf dem Kongress der Gynaekologen in Berlin wies deren Präsident Vetter auf das gestiegene Geburtsgewicht hin…
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Vetter führte an: „Während die Kinder vor rund zwanzig Jahren etwa 3500 Gramm schwer und rund 50 Zentimeter groß waren, wiegen sie heute oft 4000 Gramm bei 52 Zentimetern“. Das führt natürlich auch zu gestiegenen Kopf- und Schulterumfängen, die den Durchtritt durch das Becken erschweren. Nicht zuletzt deshalb kommen immer mehr Kinder per Kaiserschnitt auf die Welt, je nach Gegend und sozialer Stellung bis über ein Drittel.
Die Gynäkologen haben nun mehr die Probleme der Mütter im Blick, wir denken natürlich daran, dass diese Neugeborenen eine viel größere Chance haben, sich funktionelle Störungen der Halsregion zuzuziehen.
In unserer Praxis sind wir zur Zeit dabei, eine kleine Statistik der Geburtsgewichte zusammenzustellen. Dies dürfte ein Grund unter anderen sein, warum KiSS immer häufiger zu werden scheint.